Schon Anfang der 80er-Jahre habe ich in Mühlhausen die ziemlich verfallene Lempenmühle mehrfach aufgesucht und fotografiert. Erst mit ihrer Renovierung verlor ich mein Interesse an diesem Motiv. Auch die Nonnenmühle bei Uehlfeld war mein fotografischer Dauerbrenner. Zuletzt waren Schnüre und Bretter für die Vermessung angebracht, um die Mühle abzubauen und später im Freilandmuseum in Bad Windsheim wieder aufzurichten. Allerdings kann es bis zu 20 Jahre dauern, bis sich das Geld oder die Zeit dafür findet. Ein Mühlenbesitzer aus Uehlfeld hat mir erzählt, dass er sich mit seiner Renovierung Zeit lassen will, da er von einigen anderen weiß, die kurz nach der Fertigstellung gestorben sind.

An Felsenkellern erfuhr ich von Bauern, dass darin früher nicht nur Bier, sondern auch Rüben und Kartoffeln gelagert wurden. Man riet mir davon ab hineinzugehen, da manche einsturzgefährdet seien. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass, nachdem ich beim Fotografieren gesehen wurde, manche Kellereingänge ein bis zwei Jahre später renoviert oder verbarrikadiert waren. Auch eine alte weiße Doppelgarage mit Eternitdach und Brennnesseln davor war plötzlich farbig angestrichen. Auf der Fassade prangte dann ganz groß die Ortsbezeichnung. Mit der Kamera in der Hand wird einem manchmal durchaus mit Skepsis begegnet. So geriet ich in eine heftige Diskussion mit dem Bruder eines Hauseigentümers, als ich die rostige Figur eines Fahrradfahrers in seinem Garten fotografierte. Er meinte, ich sei vom Denkmalschutz und würde das dahinterliegende Haus ins Visier nehmen. Sein Bruder und ich mussten beruhigend auf ihn einreden, bis sich seine Aufregung wieder legte.

Bei einem Stauwehr an der Mittelebrach traf ich auf einen älteren Angler. Die Mittelebrach ist ein etwas breiterer Bach und führt recht trübes Wasser. Dieses fließt unterhalb des Wehrs in eine größere, stellenweise bis zu eineinhalb Meter tiefe Pfütze, in der man auch Karpfen finden kann. Der Angler erzählte, dass er den Bach mit zwei weiteren Kollegen auf etwa 3 km gepachtet hat. Allerdings haben hier auch schon Jugendliche schwarz geangelt, erfuhr ich von ihm. Früher war das Fischereirecht für einzelne Familien in Burgebrach auf mehrere Abschnitte unterteilt. Am Ende unseres Gesprächs führte der Angler mich am Wasser entlang von Bäumen und Büschen, dabei zeigte er ins Dickicht auf einen Biberbau: Wenn der Biber nicht wäre, dann gäbe es hier nicht so viel Wasser.

Einmal saß ich beim Fotografieren eines Felsenkellereingangs in eine Ecke gekauert, da der Bildwinkel von der Normalbrennweite nicht ausreichte, um diesen mitsamt der gemauerten Zuführung aufzunehmen. Ich belichtete von Hand mit dem Drahtauslöser Reihenaufnahmen bis zu zehn gezählte Sekunden. Ein Bauer vom gegenüberliegenden Gehöft in Wolfsbach beobachtete mich und fragte, ob ich hier Vögel fotografiere. Der Keller nebenan, erzählte er, führe nicht nur senkrecht nach hinten, sondern besitze auch eine sehr lange Querachse. Zum Ende des zweiten Weltkrieges habe sich darin vermutlich das halbe Dorf versteckt. Bis schließlich ein schwarzer amerikanischer Soldat hineinging und rief: “Come on!“

Ein Krenbauer auf dem Feld bei Voggendorf sagte mir, dass die eisernen Windräder hier in der Gegend in den 60er Jahren angeschafft wurden, um die sogenannten Himmelsweiher mit Grundwasser zu versorgen. Himmelsweiher haben keine wasserzuführende Quelle und sollten deshalb mittels Pumpen gespeist werden, die direkt mit dem Gestänge des Windrades verbunden sind. Da die Pumpen jedoch häufig verstopft waren, wurde dieses Verfahren bald wieder aufgegeben.

In Rauschenberg im Landkreis Neustadt/Aisch war ich gerade dabei, einen Kaugummikasten zu fotografieren. Ich lehnte mich an mein Auto und wartete auf eine Wolke. Dadurch kam ich mit einem alten Mann ins Gespräch und fragte ihn nach dem etwas verwitterten Haus am Ortsende, oben an einem Hang gelegen. Es war ein Haus mit Walmdach, kleinen Erkern und einem windschiefen Wintergarten davor. Dieses Motiv hatte ich schon mehrmals aufgesucht, allerdings passte mir bisher weder das Wetter noch die Jahreszeit. Doch jetzt, im Januar 2019, ergab sich für eine Farbaufnahme endlich eine Gelegenheit. Es hatte einige Tage nicht geregnet, der letzte Schnee war weg, es war ziemlich bewölkt und die Vegetation spärlich. Aber das Haus war inzwischen abgerissen. Der Dorfbewohner erzählte mir von einer alten Frau, die bis vor kurzem darin gewohnt habe. Nach ihrem Tod jedoch sei das Haus von den Erben abgerissen worden, um an dessen Stelle ein neues zu errichten. Ich betonte, dass es ein schönes altes Haus gewesen sei. Darauf erwiderte er, dass einige im Dorf diese Meinung teilten. Er konnte sich noch gut an die Eigentümerin erinnern, die öfters in ihrem Wintergarten saß, um sich dort aufzuwärmen.

Um eine merkwürdige Bauruine im Bamberger Land zu fotografieren, parke ich mein Auto vor einer Bushaltestelle. Vier oder fünf Stockwerke hoch ist eine Hälfte verputzt, gestrichen und mit einem steilen Satteldach versehen. Die andere Hälfte besteht nur aus blankem, unüberdachten Mauerwerk. Lange schwarze Streifen an der Mauer sehen aus wie Brandspuren. Ich warte auf diffuses Licht. Währenddessen bekomme ich bei geöffnetem Autofenster einige Gesprächsfetzen zweier Frauen an der Bushaltestelle mit. Wie einen Refrain wiederholt die Ältere der beiden: „Vo nix kummt nix!“ Dann: „Mit ihren Nerven packt sie das nicht. Ich habe auch fünf Kinder gehabt und bin arbeiten gegangen.“ Und wieder: „Vo nix kummt nix!“ Danach geht es mit dem Rollator weiter. Da ich vom Dach der Bushaltestelle aus fotografieren möchte, muss ich auch diesen Moment abwarten. Inzwischen fährt ein Auto mit Anhänger und Baumaterial am Nebengebäude vor. Im Wagen vermute ich den Besitzer der Bauruine, und so spreche ich ihn an. Von ihm erfahre ich Einiges über die Vorgeschichte des Gebäudes. Sein Schwiegervater hatte eine Verputzerfirma mit zeitweilig 40 Arbeitern. Damit diese auch im Winter beschäftigt waren, hatte er in den 1970er Jahren eine Pizzeria eröffnet, die auch sehr gut lief. Daneben sollte ein Hotel angebaut werden, was der in die Jahre gekommene Mann jedoch nicht mehr bewältigte. Leider hatte er keinen Nachfolger, darum musste er seinen Betrieb schließen und das Hotel blieb eine Baustelle. Das unfertige Dach war irgendwann eingestürzt, wodurch schließlich Wasser ins Gemäuer eindrang. Daher rühren die schwarzen Streifen am Gebäude. Als Selbstständiger hatte der alte Besitzer zu wenig für seine Altersvorsorge einbezahlt, sodass er am Ende Hühner hielt, deren Eier er auf dem Markt verkaufen konnte. Mit der Pflegeversicherung ging es dann einigermaßen glatt hinaus. Später haben seine Tochter und sein Schwiegersohn mit viel Eigeninitative im Nebengebäude eine Ferienwohnung eingerichtet. Das halbfertige Hotel dagegen wird abgerissen und die nicht geringen Kosten dafür müssen anschließend vom Grundstückswert abgezogen werden. Freundlicherweise leiht mir der jetzige Besitzer eine Leiter. Um stürzende Linien zu minimieren, besteige ich das Dach der Bushaltestelle und mache meine Aufnahmen.

Die Inhaberin eines Trödelladens in Eltmann erlaubt mir, ihr reichhaltiges Interieur zu fotografieren. Es gibt einen kleinen Innenhof mit Fachwerk, niedrige Holzbalkendecken und Schwalben, die ständig ein- und ausfliegen. Ihr Mann entfernt gerade Fußbodenplatten; seine Frau und er sind bestimmt schon um die siebzig. „Wenn wir einmal nicht mehr sind, werden unsere Kinder das alles wegwerfen.“ Dann kommt er auf mich zu und wird ganz leise: „Ich arbeite im Wertstoffhof. Was meinen sie, was da alles weggeworfen wird. Und als Mitarbeiter darf man nichts mitnehmen. Es ist eine andere Generation. Reparaturen lohnen sich oft nicht mehr.“ Ein achtzigjähriger “Puppendoktor“ aus Lisberg sucht schon länger einen Nachfolger, war um 2019 in der Regionalzeitung zu lesen.